In der Wildnis wird die Welt erhalten…
Wir sind als Menschheit weitestgehend zivilisiert. Das bedeutet, dass unsere ehemalige Heimat uns zur Wildnis geworden ist. Wir kennen uns dort, wo wir herkommen, nicht mehr aus. Die Natur ist uns fremd geworden und wirkt gefährlich und wild auf uns. Wir haben uns entfremdet.
Wie weit ist die Wildnis von Dir entfernt? Wo findest Du heute noch Wildnis? Wie definierst Du Wildnis? Also wo beginnt sie? Bereits im Stadtpark?
Immer mehr Menschen sehnen sich nach Einfachheit und Natürlichkeit. Back to the roots wird mehr und mehr zum Schlagwort für Naturliebhaber.
Survivalst Du noch oder bist Du schon ein Teil der Wildnis?
Wildnisschulen und Waldkindergärten zeigen, dass es einen Bedarf gibt, die Natur wieder als Lebensraum und Lebensort zu erfahren. Sie bauen eine Brücke zwischen der Zivilisation und der Wildnis.
Jeder kennt das Wort Survival und diverse Protagonisten im Fernsehen versuchen, dem zivilisierten Menschen (der zumeist auf dem Sofa sitzt) zu zeigen, wie man „da draußen“ überlebt. Manche setzen dann das Gelernte um. Die meisten bleiben allerdings vor dem Fernsehgerät kleben und ziehen sich die nächste Sendung rein.
Wir haben als Familie im Rahmen einer Wildnislehrerausbildung den Schritt gewagt und sind mit unseren sieben Kindern mehrere Monate in die Wildnis gezogen. Sie waren damals im Alter zwischen 2 und 14 Jahren.
Wir haben unsere Komfortzone in dieser Zeit massiv verschoben und gelernt und erlebt, dass es nicht darum geht zu überleben, sondern ein Teil des Ganzen zu werden und dadurch zu leben.
Hier findest Du ein längeres Interview mit mir darüber und einen Trailer von einem Kinofilm, bei dem wir ein Teil sein werden.
Unsere Erfahrungen bezüglich Equipment möchten wir gerne hier zusammenfassen und der eine oder andere Experte wird sicherlich überrascht sein, wie reduziert unsere Ausrüstung aussah.
Am Schluß hatten wir weniger als 25 Dinge aus der Zivilisation und diese möchte ich gerne hier auflisten:
Zelt
Am Anfang hatten wir ein Zelt. Das wurde nach ein paar Wochen gegen ein Lean-to und eine Sommerlodge eingetauscht. Beides haben wir aus Naturmaterialien gebaut.
Für den Einstieg ins wilde Leben war jedoch ein Zelt von Vorteil. Denn die Mosquitos waren eine echte Plage und wurden durch den Netzstoff außerhalb des Zeltes gehalten.
Später haben wir unser Lager unter einem Tarp aufgebaut und irgendwann ging es dann ganz in die Naturbehausung.
Wir haben beim Zelt darauf geachtet, das die Wassersäule bei 5000 mm war!
Messer
Sich über Messer zu unterhalten, ist fast eine Religion unter den Bushcraftern und den Survival Leuten. Wir hatten ein Messer und ein Tomahawk dabei. Beides sehr schlicht und einfach.
Das Messer war für uns ein „Allround Werkzeug“. Aber nicht in dem Sinne eines Schweizer Taschenmessers. Für uns war die Herausforderung, mit diesem stinknormalen Messer Finger und Fußnägel gleichermaßen zu schneiden, wie auch Gemüse: Wir haben mit diesem Messer geschnitzt und danach die Spreißel heraus gepult.
Unser Messer haben wir am Gürtel getragen und es hatte eine Lederscheide. Also wirklich ganz einfach und schlicht.
Es gibt ja weitaus luxuriösere Fahrtenmesser mit integriertem Seil; Notfallpfeife und Feuerstein.
Ebenfalls hilfreich für uns war ein rundes Schnitzmesser welches zum Aushöhlen von Holzschalen genutzt worden. Bei diesen Löffelschnitzmessern muss man darauf achten, dass die scharfe Seite auf der richtigen Seite ist! Es gibt also Messer, die sind für Rechts-oder Linkshänder. Und es gibt auch ein Messer, das auf beiden Seiten Scharf ist.
Unsere kleineren Kinder hatten ein Opinel-Messer. Selbst die 2 und 3 jährigen haben damit geschnitzt, ohne sich ernsthaft zu verletzen. Allerdings hatten wir diese Messer arretiert. Eigentlich kann man die Klinge ja in den Griff einlassen. Dies galt hier als zu gefährlich und so wurde die feststehende Klinge bevorzugt ebenfalls bei Nichtbenutzung in einer Lederscheide verwahrt.
Wasserfilter
Zu Beginn hatten wir einen kleinen Wasserfilter, damit wir unterwegs aus Pfützen, Seen und Flüssen trinken konnten, ohne Magen Darm Beschwerden zu bekommen. Mit der Zeit haben wir uns allerdings an das Wasser des Sees, an dem wir lagerten, adaptiert und konnten direkt aus ihm trinken.
Diese Eingewöhnungszeit hat etwa 14 Tage gebraucht. In dieser Zeit haben wir Wasser abgekocht und immer ein wenig ungekochtes Seewasser dazu gemischt. Das reine Seewasser wurde immer höher dosiert, bis wir am Schluss eben kein abgekochtes Wasser mehr benötigten.
Es war ein wunderbares Gefühl, „gemeinsam mit den Rehen“ aus dem selben See zu trinken. Ein Gefühl des Einklangs.
Natürlich kann man das Wasser immer mit einem Filter vorbehandeln und Desinfektionstabletten nehmen.
Oder man baut sich selbst einen Filter. Denn alles andere ist einfach Zivilisationsmüll, den wir letztlich produzieren.
Doch für manche Menschen ist der erste Schritt hin zur Natur mit diesen Dingen einfacher. Und auf lange Sicht hin reduzieren solche Menschen den Müll und leben nachhaltiger. Aus diesem Grund stelle ich hier ein paar Produkte vor, hinter denen ich selbst zwar nicht in dem Sinne stehe, als das wir sie nutzen., aber in dem Sinne, als das ich es als Eintritt in ein bewussteres Leben sehe:
Schuhwerk
Unser Motto war „Natürlichkeit“ und so haben wir versucht Schuhe zu nutzen, die zum Großteil aus Naturmaterialen waren. Denn Ziel war es für uns in der Natur zu leben, wie unsere Vorfahren es uns vorgelebt hatten. Zudem wollten wir kaum einen Fußabdruck hinterlassen. Daher eignen sich für lautloses Schleichen Barfussschuhe mit wenig Sohlenprofil.
Denn im Barfussschuh hat man nicht den Ballengang, sondern den sogenannten Fuchsgang. Der Ballengang ist so laut und vibriert auf dem Boden, dass sämtliche Ameisen glauben, es gäbe ein Erdbeben. Für die Jagd und das Anschleichen sollte man in der Natur also den Fuchsgang beherrschen, bei dem sich der Fuß von vorne nach hinten abrollt.
Auch hier stelle ich wieder Schuhe vor, die eher zivilisatorisch sind, um den Einstieg zu erleichtern.
Für den Winter haben wir Stiefel genutzt (auch für den Waldkindergarten sehr geeignet!), bei denen man den Innenschuh herausnehmen kann, um ihn einfach trocknen zu können.
Früher hatte die Firma Kamik Stiefel mit einem Innenschuh aus reiner Schurwolle. Leider gibt es keinen mir bekannten Schuhhersteller mehr, der einen solchen Schuh noch herstellt. Also kann man lediglich darauf achten, dass es ein sehr hoher Schurwollanteil ist. Warum? Schurwolle wärmt. Und sie wärmt auch dann, wenn der Fuß nass ist.
Kleidung
Unsere Kleidung war aus reinen Naturprodukten und durfte nichts Synthetisches enthalten. Die meisten Outdoor Klamotten sind ja das genaue Gegenteil. Sie sind verarbeitet mit Spezialstoffen, die meist hoch wasserabweisend aber meistens leider auch nicht atmungsaktiv und wenn doch, kostenintensiv sind.
Zudem sind die meisten davon in quietschbunten Farben gehalten.
Wir jedoch wollten mit der Natur verschmelzen und haben daher ausschließlich Erdfarben genommen. Brauntöne also.
Baumwolle, Merinowolle und Schurwolle waren also unsere gewählten Materialien. Sie haben sich für uns absolut bewährt.
Bei den synthetischen Outdoor Klamotten sehe ich zusätzlich den Nachteil, dass sie rascheln. Sie sind also relativ laut und für ein Leben, bei dem man darauf angewiesen ist, seine Nahrung zu jagen, gänzlich ungeeignet.
Davon abgesehen, halte ich von Plastik auf meiner Haut, dem größten Organ des Menschen, so oder so sehr wenig.
Nachteile, die ich bei Outdoorklamotten mit Synthetik sehe:
– nicht immer atmungsaktiv
– kostenintensiv
– knallige unnatürliche Farben
– sehr laut (Rascheleffekt)
– ungesund für den Organismus
– stinken schnell beim Schwitzen
Allgemein haben wir uns nach dem Zwiebelprinzip gekleidet: Das bedeutet man zieht verschiedene Schichten übereinander. Die Luft im Zwischenraum kann sich zusätzlich erwärmen und man hat die Möglichkeit, immer soweit an oder auszuziehen, als das man nicht friert bzw. schwitzt.
Ich werde jetzt aufzählen, welche Kleidung sich bei uns und unseren Kindern bewährt hat. Wie gesagt, haben wir draußen gelebt! Also wurden unsere Kleidungsstücke durchgehend von uns getragen. Sie waren hochbelastet und haben viele Monate keine Waschmaschine und kein Waschmittel gesehen.
Unterwäsche
Wir haben gerne Merino Unterwäsche getragen. Merino steht für „no stink“. Das bedeutet, dass sie nicht stinkt, selbst nach einer langen Tragezeit nicht.
Da wir keine Waschmaschine hatten und auch kein Waschpulver, haben wir sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Wäsche nicht schnell riecht.
Zudem sollte sie schnell trocken sein, denn wir hatten nur sehr begrenzt Klamotten dabei. Oftmals haben wir also nackt am See gesessen und darauf gewartet, dass das T Shirt wieder trocken ist, nachdem wir es vor dem Baden gewaschen hatten. Und tatsächlich hat es meist nur 15 Minuten benötigt und wir konnten es wieder anziehen.
Da wir in einer sehr kalten Region gelebt haben, mussten wir warme Socken haben. Auch hier haben wir sehr viel Wert auf einen hohen Merinowollanteil gelegt.
Outdoor Hose
In unserem Abenteuer ging es darum, so minimalistisch wie möglich zu leben. Aus diesem Grund habe ich eine Zip Hose mitgenommen. Somit hatte ich eine lange und eine kurze Hose in einer zusammengefasst. Bei den Hosen haben wir auch darauf geachtet, dass sie geräuscharm waren.
Im Sommer waren das also Baumwollhosen und zum Winter hin Wollhosen.
Auch hier werde ich wieder verschiedene Hosen vorstellen.
Generell liebe ich Hosen mit vielen Taschen. Denn ich bin immer wieder lange Strecken durch den Wald gewandert und konnte so in den Taschen alles mögliche unterbringen.
Pullover/Jacken
Bevorzug haben wir Pullover genommen, die man nicht „over pullen“ konnte. Wenn es einem zu warm ist und man in der Wildnis lebt, dann ist es von Vorteil, wenn man einfach den Reißverschluss öffnen kann und nicht den oder die Pullover mit sich herum tragen muss. In einer Survival Situation ist das also absolut von Vorteil.
Auch hier haben wir auf Merinowolle gesetzt. Merinopullover und Jacken sind recht kostenintensiv, halten aber sehr lange, weil sie eine sehr gute Qualität haben.
Wolle ist wasserabweisend und daher auch bei Regen ein sehr effektiver Schutz! Ein Pluspunkt ist der Umstand, dass Wolle wärmt, auch wenn sie nass wird.
Bei den Mufflonjacken (die einen wunderschönen Braunton haben) gibt es Abstufungen nach der dichte der Wolle. Je höher die Zahl, die auf dem Etikett der Jacke steht, umso dicker ist sie. Das bedeutet, sie ist windgeschützter und auch wärmer, wenn es z.B eine W300er ist, als wenn es eine W100er oder W200er ist.
Kopfbedeckung und Handschuhe
Über den Kopf verlieren wir Wärme. Hier ein paar Mützen, die unseren Kopf warm gehalten haben:
Schlafsack
Wir hatten einen speziellen Schlafsack, den es nur in den USA gibt. Vergleichbar ist der, den ich hier vorstelle. Generell muss man schauen, welchen Anforderungen ein Schlafsack gerecht werden soll.
– Welche Temperaturen sollte er aushalten?
– Packmaß? Also ist man eher unterwegs und benötigt ein kleines und leichtes Packmaß? Oder ist man statisch an einem Ort und kann daher auf ein größeres Packmaß zurückgreifen?
Die meisten Schlafsäcke, die leicht sind und ein kleines Packmaß haben und somit zum Reisen geeignet sind, sind auch leider innen wie außen aus Kunststoff. Da hilft ein Seideninlett.
In der Wildnis hatten wir keine Isomatte. Allerdings kühlt man in der Nacht sehr leicht aus, wenn es von unten her kalt ist. Wir haben Tannenzweige genommen und Laub und eine Art Matratze daraus gebaut.
Kochen
Wir konnten direkt am Feuer kochen. Offenes Feuer ist jedoch selten erlaubt und daher macht es Sinn, sich einen Kocher mitzunehmen.
Natürlich kann ein Gaskocher niemals den Geruch und die Atmosphäre eines Lagerfeuers ersetzen.
Wie wir gekocht haben (ganz ohne Topf und Pfanne usw.) zeigt Dir das folgende Video von mir.
Und ansonsten würde ich folgende Kocher empfehlen. Denn es macht durchaus Sinn, wenn man kein offenes Feuer machen darf im Wald und vor allem im Sommer ein leichtes Kochgerät dabei hat. (Waldbrandgefahr)
Und da Feuer immer auch gemacht werden will und nicht jeder es schafft mit einem Drillbogen Feuer zu machen, werde ich Dir etwas verlinken, was Dir dabei hilft, Feuer zu machen. Und nebenher kannst Du ja üben, mit dem Drillbogen eines hinzubekommen. Ich habe sehr lange dazu gebraucht, bis ich endlich mein erstes Feuer entfachen konnte und war dann mächtig Stolz auf mich!
Wir selbst hatten keine Lampen dabei, sondern Kerzen. Ich empfehle Kurbeltaschenlampen, weil man dann nicht abhängig von der Zivilisation ist wegen einer Batterie.
Sonstiges
Wir haben am Anfang noch eine Zahnbürste benutzt und die dann gegen Haselnussstöckchen, die wir vorne ausgefranzt haben, eingetauscht. Mit einem Stein haben wir also auf ein Stöcken gehauen, bis die Fasern des Holzes weicher wurden und es dann aussah wie eine Bürste. Damit konnten wir super putzen.
Dieses Stöckchen haben wir dann vorne nass gemacht und in Asche getunkt. Das war unsere Wildnis Zahnpasta.
Ich finde es interessant, dass es solche Zahnbürsten auch zu kaufen gibt und auch Zahnpasta, die auf Kohlebasis hergestellt wird.
Da ich beim Thema Hygiene bin, möchte ich noch kurz etwas zum Thema Toilettenpapier schreiben. Wir haben Blätter, Moos und Wasser benutzt und das ging wunderbar. Bei Regen waren die Blätter und das Moss immer wie Feuchtpapier. Wasser war immer gleich nass. Aber faszinierend war wirklich, das wachsende Toilettenpapier in Form der Blätter und eben die Feuchtigkeit bei Regen oder Tau.
Ohne Toilettenpapier zu leben, ist für die Umwelt besser und hinterlässt auch einen sauberen Wald. Denn die Plätze, an denen Menschen ihr großes Geschäft verrichten, sehen ja meist sehr unschön aus, weil überall das Klopapier herumliegt.
Hier eine Inspiration, wie wir in der Natur auf achtsame Art und Weise diese Sache erledigt haben.
Und eine brennende Frage, die uns gestellt wird: Was habt ihr gemacht, als ihr eure Tage hattet. Auch dazu kann ich sagen, dass alles halb so wild war. Im Vorfeld konnte ich mir garnicht vorstellen, wie wir damit umgehen können und sollen. Doch in der Wildnis selber war dann alles ganz natürlich.
Bei der Wildnislehrerausbildung waren uns Alternativen zum normalen Tampon oder der Binde nicht erlaubt. Wir haben jedoch sehr kreativ eigene Dinge entworfen, die es jedoch in abgewandelter Form auch zu kaufen gibt und die sehr gesund sind im Gegensatz zu den gebleichten Tampons usw.