Schultütengedanken
Gedanken über die Schultüte.
Immer wieder aufs Neue sind die Einkaufsläden auf den Schulanfang eingestellt. Überall liegen bunte Schultüten aus, bereit für die Schulanfänger mit allerlei Süßigkeiten gefüllt zu werden.
Manchmal kann ich mich der Gedanken nicht erwehren, dass das eine Art Erpressungstüte ist? Warum muss man bei einem tollen und einschneidenden Ereignis, derart auftrumpfen? Erst den Zucker, dann die Peitsche?
In der Zeit der Einschulung gibt es dann so viele Bilder von Kindern mit ihrer Schultüte zu sehen. Ich bekomme dann immer sehr gemischte Gefühle. Fast alle Kinder freuen sich, warum auch immer, auf die Schule. Doch nach nur wenigen Wochen haben die allermeisten Kinder diese Freude bereits verloren. Sie ist auf der Strecke einfach verschütt gegangen.
Es muss also in dieser Schule etwas geschehen, was die kindliche Freude innerhalb weniger Wochen auf ein Minimalmaß reduziert. Das macht mich nachdenklich und stutzig. Und vielleicht kann ich deswegen der Schultüte nichts Gutes abgewinnen?
Damit stehe ich nicht alleine da!
Hänsel und Gretel
Wie war das gleich mit der Hexe im Wald? Hat sie nicht auch die Kinder in ihr Knusperhäuschen gelockt und danach haben die Kinder erst realisiert in was sie da hineingeraten sind? Ich sehe da eine gewisse Parallele.
Auch wenn ich polarisiere (das tue ich, um zum Nachdenken anzuregen und herauszufordern um die Ecke zu schauen):
Für mich werden Schulkinder zu unfreien und eingesperrten Kindern gemacht. Nach den Ferien ist es prägnant, wie sehr die Kinder wieder von der Gesellschaftsoberfläche verschwinden. Bei schönstem Wetter sitzen sie in einem viereckigen Raum, während draußen die Vögel zwitschern und auf den Seen die Enten schwimmen und der Wind durch die Blätter weht. Im Winter sitzen sie brav in den Schulklassen, anstatt mit dem Schlitten zu fahren, ein Iglu zu bauen oder eine Schneeballschlacht zu machen. In der Schule, in der unsere Kinder eingeschult hätten werden sollen, stand im Winter ein großes Schild:
Schneebälle VERBOTEN!
Ehrlich – kann man das wirklich von Kindern verlangen? Ist das nicht unmenschlich? Ebenso das lange Stillsitzen und das sich mit etwas beschäftigen, was einen herzlich wenig bis garnicht interessiert? Wäre ich an der Stelle der Kinder und mich würde jemand zu diesen Dingen zwingen, würde ich eine Meuterei beginnen. Warum muten wir unseren Kindern etwas zu, was wir selbst nicht bereit sind zu tun? Oder welcher Erwachsene würde auf Kommando Chinesisch lernen, sich stundenlang nur mit dieser Sprache beschäftigen, obwohl er keinerlei Bezug zu China hat und mit großer Wahrscheinlichkeit nie dorthin reisen wird? Leider muss ich mir eingestehen, dass es mehr sind, als ich fassen kann.
Es ist für mich unverständlich, aber in unserer Gesellschaft überwiegen die Menschen, die einfach nur funktionieren, unreflektiert, stupide und kopfnickend durchs Leben gehen. Wer Wirtschaftsprozesse begreift, muss einsehen, dass ein Leben im materiellen Überfluss, wie wir es als Gesellschaft leben, ohne derartig geprägte oder verprägte Menschen nicht möglich wäre.
Am liebsten hätte ich in dieser Schule eine Schneeballschlacht begonnen und mit den Kindern herumgetollt. Schulischen Ungehorsam gezeigt, doch leider war gerade keine Pause und die Kinder alle in ihren Klassen…
Während also die Kinder hinter dicken Wänden auf das Leben vorbereitet werden sollen, findet das wirkliche Leben draußen statt. Ein Paradoxon in sich. Sollte man Kinder nicht auf das Leben vorbereiten, indem man sie ins Leben hinein nimmt, anstatt sie auszusondieren in eine künstliche Umwelt?
Vielleicht habe ich zu viel Pipi Langstrumpf gesehen, oder bin emotional zu sehr mit der roten Zora oder Indianern verbunden?
Wenn ich das folgende Lied höre, dann bewegt das mein Herz –
Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn?
Ich bin dankbar für jedes Kind, was die Möglichkeit erhält, sich in Freiheit und Selbstbestimmung zu bilden und auf das eigene Leben vorzubereiten.
Was ich nicht unterschlagen möchte:
Solange es engagierte Pädagogen gibt, wird es auch tolle Schulen geben. Eine Schule kann immer nur so gut sein, wie es die Lehrer sind.
Leider werden die Maßgaben an die Lehrer immer enger und somit wird es für sie immer schwerer, einen Unterschied zu machen und ein guter Wegbegleiter zu sein.
Selbst wenn die Pädagogen toll sind, bleibt die Tatsache, dass das Notensystem Dinge in uns bewirkt, das einen lebenslangen Nachhall in uns hinterläßt und unsere Gesellschaft maßgeblich beeinflußt. Wir sind mittlerweile so deformiert, dass wir gar nicht mehr bewusst bemerken, wie schädlich Noten sind. Wir hecheln nach Anerkennung und suchen Bestätigung und Liebe, in dem wir Leistung bringen. Etwas was wir durch die Notenvergabe früh gelernt haben. Ich selbst bin so ein Mensch. In der Schule war ich sehr ehrgeizig und der Vergleich mit anderen hat mich zu guten Ergebnissen angespornt. Auf den ersten Blick mag das normal sein, doch auf den zweiten, dritten und vierten Blick, der dann in die Tiefe geht, habe ich gemerkt, was dieser Ehrgeiz in mir bewirkt hat und darüber bin ich nicht froh. Immer höher, weiter und schneller sein – diese Devise ist schädlich und macht krank. So viele gehetzte Menschen, die nicht in ihrer Mitte stehen und dann dennoch behaupten, dass die Schule ihnen nicht geschadet hat, machen mich sprachlos.
Eltern, die super stolz auf die tollen Noten und die Leistungen ihres Sprößlings sind, ohne zu bemerken, wie ihr eigener Ehrgeiz ungesund auf ihre Kinder abfärbt und sie ihre Kinder in das Hamsterrad des sinnlosen Konsumlebens verkaufen.
Erwachsene, die bei einer Matheaufgabe immer noch einen schnelleren Herzschlag bekommen, aus Angst das falsche Ergebnis zu errechnen, zu langsam zu sein und heimlich unter dem Tisch mit den Fingern zählen. Die Schule und die Erfahrungen die wir dort gemacht haben, prägen und begleiten uns ein Leben lang. Ob wir das wollen oder nicht.
Die Wirtschaft freut sich über ehrgeizige Kinder, die lernen, sich mit den Ellenbogen durchzusetzen. Sie forcieren die Trennung zwischen Spreu und Weizen, wobei meines Erachtens die Spreu in Wirklichkeit die Klügeren sind. Es gibt Schulverweigerer, die dieses Spiel nicht mitspielen und sie glänzen mit schlechten Noten und eigenem Willen. Aber Kindern mit einem eigenen Willen kriegen eins auf die Brillen. Der eigene Kopf auf dem Hals ist bewusst nicht gewollt, denn Querdenker können unangenehm werden. Kopfnicker sollen produziert werden, die dann brav das tun, was sie als Befehl erhalten, bitte ohne nachzudenken.
Wie schlimm müssen meine Zeilen sein für Eltern, die es nicht schaffen, ihre Kinder aus diesem System zu befreien? Doch ist dem wirklich, wirklich, wirklich so?
Wo ein Wille ist, da ist auch mindestens ein Weg. Und wenn nicht, dann mach ich mir diesen Weg aus den Steinen die auf dem Weg liegen!?
Tue ich all das nicht, sondern bleibe jammernd auf der Stelle stehen, dann ist das, wenn ich ehrlich bin, genau das, was ich wirklich will. Manchmal ist der Preis Selbstverantwortung zu übernehmen einfach zu hoch und führt uns aus der Komfortzone und dazu sind wir nicht bereit. Wir wählen also – setzen Prioritäten.
Bildung ja bitte. Schule Bitte nein danke.
Ich glaube, es gibt gute Schulen, tolle Pädagogen und auch das Kinder sich wohl fühlen in der Schule. Doch meines Erachtens sind das sehr wenige.
Bildung ist wichtig und ein Vorrecht hier im Westen. Wobei ich mich ernsthaft frage, was in aller Welt die Bildung wirklich sinnvolles hervorgebracht hat, wenn ich mir die aktuelle Weltlage ansehe…
Nichts desto trotz bin ich eine starke Befürworterin der Bildung. Allerdings ziehe ich die freie und selbstbestimmte Bildung vor und finde, dass man das Recht haben sollte, genau das als Mutter dürfen zu können. Als freier Bürger in einem freien Land frei zu entscheiden, wie Bildung aussieht und was zur Bildung gehört, sollte ein Grundrecht sein. Unsere Nachbarländer tun das und schütteln über die Engstirnigkeit der Deutschen einfach nur den Kopf. Wenn sie erfahren, dass engagierte Eltern, die die Bildung ihrer Kinder selbst finanzieren und mit viel Einsatz unterstützen, Gefahr laufen, das Sorgerecht zu verlieren, ihre Kinder mit der Polizei in die Schule zwangsabgeholt werden oder die Eltern sogar ins Gefängnis müssen und zumindest eine hohe Geldstrafe bezahlen müssen, dann können sie das fast nicht glauben. Ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin.
Mit diesem Hintergrundwissen schau ich mir dann all die Kinder an, die mit ihrer Schultüte in der Hand vor einem neuen Lebensabschnitt stehen – der Ernst des Lebens beginnt für sie. Wehe sie weigern sich von nun an regelmäßig zu erscheinen, dann gibt es sehr unschöne Konsequenzen. Ein Beigeschmack von einem Gefängnis kommt dann in mir auf. Darüber kann die noch so schönste Schultüte nicht hinwegtäuschen. Schule ist kein Ort der Freiwilligkeit.
Ein Lied von Unheilig trifft das ganz gut: