Wenn ein Traum zum Albtraum wird
Odyssee mit einem Rundhauber.
Wir haben uns einmal einen Traum erfüllt. Um genauer zu sein, war ich das. Mir gefallen die Rundhauber und schon immer wollte ich einen fahren. Daher kauften wir ein ehemaliges Feuerwehrauto Baujahr 1966, einen Mercedes Rundhauber. Mir war bewusst, dass dieses Fahrzeug keine Servolenkung hatte und da ich nicht schwächlich bin, dachte ich: „Ach das wird schon, das kriegen wir hin“.
Wir holten unseren feuerroten Rundhauber also in Köln ab. Als ich ihn das erste Mal sah, also direkt vor ihm stand, wurde mir schon etwas mulmig zumute. Als ich dann auch noch sah, dass mein 5 Jähriger Sohn kleiner war als die Räder dieses Haubers, dachte ich nur: Was für ein Untier und musste schlucken.
Aber Frau gibt ja nicht gleich auf und lässt sich auch nicht die Zweifel anmerken. Schließlich hatte ich mir ja die Suppe selbst eingelöffelt! Etwas kleinlaut bat ich dann aber doch den ehemaligen Besitzer, das Fahrzeug aus der Parklücke irgendwo in Köln Mitte auszuparken und mich auf weiteres Land zu fahren, um uns dann unserem Schicksal zu überlassen.
Während dieser Zeit spürte ich die entsetzten Blicke meiner Frau auf mir ruhen, die mir verzweifelt Signale zusendete, ob ich denn nun völlig verrückt sei?!
Doch ich ignorierte das einfach, denn es geht nichts über den Stolz einer Frau!
Der Ritt auf einem Drachen
So saßen wir also mit unseren zwei Söhnen in diesem Feuerwehrauto, irgendwo auf der weiten Welt. Ich drückte also die Kupplung um den ersten Gang einzulegen. Also ich versuchte es, denn die Kupplung ging mit verlaub, scheißschwer! Wenn man das Auto jeden Tag fährt, dann hat man nach kurzer Zeit ein durchtrainiertes, mit Muskeln bepacktes, dickes rechtes Bein, während man mit dem linken schmalen Bein herum humpelt!
Das war wirklich ein Tier! Und das Lenkrad erst! Es war so groß wie ein riesiger Käseleib und genau so schwer ließ es sich auch bewegen. Es lachte regelrecht über meine Oberarmmuskelchen und vor jeder Kurve begann mein Herz schneller zu schlagen. Innerlich ging ich die Strecke durch, ob da auch irgendwo eine T- Kreuzung kommen wird, denn der Wendekreis dieses Ungetüms dürfte sich in einem Radius von mehrerern Kilometern bewegen! Ach du dickes Ei! Warum nur musste ich so unvernünftig sein? Schließlich kam die von mir gefürchtete T-Kreuzung. Mit einem LKW kann man die einfach nehmen, doch mit diesem Untier ist das nicht so einfach möglich. Man benötigt alle zur Verfügung stehenden Fahrspuren, um direkt abbiegen zu können und am besten auch gleich den Bordstein dazu! AUS DER BAAAHN!!! Wie sehr wünschte ich in diesem Moment, dass die Sirene noch funktionieren würde!
Als würde ich um mein Leben kämpfen drehte ich das Lenkrad so schnell es ging und kam dabei ins Schwitzen! Völlig abgekämpft schaffte ich es, die Kurve zu nehmen und war dann irgendwann auch wieder auf meiner mir zustehenden Fahrspur.
Tschaka – Frau am Steuer in einem Ungeheuer.
Meine Jungs saßen quietschvergnügt auf der Beifahrerbank und waren mächtig stolz in einem richtigen Feuerwehrauto zu sitzen. Ich sah, wie sie ihre Lippen bewegten, immer wieder und mich fragend ansahen. Sie versuchten mit mir zu kommunizieren, was jedoch unmöglich war, BEI DEM LÄRM WAS DIESES MONSTER MACHTE!
Da ich schlecht im Lippenablesen war und auch verkrampft nur die Fahrbahn im Blick hatte, brüllte ich meine Söhne an, dass ICH JETZT NICHT KANN! Ich glaube nicht, dass sie meine Worte verstanden haben, aber meinem gehetzten Gesicht haben sie sicherlich ablesen können, dass Mami keine Sprechstunde hat, irgendwie gestresst wirkt und man sie am besten in Ruhe lässt.
Ich saß also in meinem Traumauto und alles entpuppte sich irgendwie zu einem Albtraum und obwohl ich super ungern das Lenkrad aus der Hand gebe und das normalerweise bei einem Traumauto auch nie getan hätte, hielt ich an der ersten Raststätte an, um meiner Frau den Vortritt zu geben. Soviel zum Thema „allein die Suppe auslöffeln“…
Sie setzte sich also auf den Fahrersitz und da sie sehr viel schlanker ist als ich, wirkte das ganze irgendwie bizarr. Eine schmächtige Frau und dann dieses riesige Lenkrad! Tapfer nahm sie also den ersten Löffel von der Suppe, die ich uns eingebrockt hatte und los ging die Fahrt.
Wenn Götter sich amüsieren beobachten sie Frauen!
Auf der Autobahn ging es ganz gut, muss ich sagen und ich entspannte mich etwas. Irgendwann mussten wir jedoch runter von der Autobahn und schließlich kamen wir durch einen Ort, der eine Ampel hat. Das alleine wäre nicht so schlimm gewesen. Man kann (und muss!) ja schon mal 10 Kilometer vorher mit dem Bremsvorgang beginnen, damit man dann auch brav vor der Ampel zum Halten kommt. Das eigentliche Problem lag eher in der Tatsache, dass diese bescheuerte Ampel sich ausgerechnet an einem steilen Berg befand. Nach oben versteht sich! Na gut, ich will nicht zu sehr übertreiben, es war nicht soooo steil, aber immerhin würde man am Berg anfahren müssen. Doch vielleicht waren die Götter ja mit uns und die Ampel war grün!
War sie nicht! Die Götter mussten einen Heidenspaß mit uns haben und wollten sich das folgende Schauspiel nicht entgehen lassen! Denn wann können Götter schon mal zwei Frauen sehen, die nun verzweifelt in Teamarbeit, den Angstschweiß von der Stirn tropfend, versuchen am Berg anzufahren?!
Meine Frau gab mir schnelle und konkrete Anweisungen: „Du ziehst die Handbremse an und auf mein Kommando lässt du sie wieder los. Ich fahre dann an.“ (Normalerweise fahren wir auch an Bergen eher ohne Handbremse an. Aber bei diesem Monster trauten wir uns das nicht.)
Während wir also hochkonzentriert auf unsere Stunde der Wahrheit warteten, begann einer unserer Söhne uns etwas zu fragen. „RUHE IM KARTON – Mama und Mami müssen sich konzentrieren“, war alles was ich sagen konnte und in meinem Augenwinkel sah ich, wie einer der Götter sich schmunzelnt zu meinen Söhnen setzte und ihnen irgendwas ins Ohr flüsterte, denn in diesem Moment schauten die Jungs uns sehr befremdlich an. Es war als würden sie denken: „Was in aller Welt ist denn mit unseren Müttern los? Die sind ja so unentspannt?“
Die Handbremse dieses Rundhaubers ist seeeeehr laaaang! Eine Armeslänge einer Frau würde ich sagen. Es hatte also einen Grund, warum meine Frau mir diesen Auftrag gab. Ich zog also die Handbremse etwa drei Meter nach hinten, musste also sozusagen in den hinteren Wohnbereich des Fahrzeugs und der Rundhauber stand still. Die Sekunden vergingen und hinter uns stand ein Auto. Nicht auszudenken, wenn wir rückwärts fahren würden. Das Auto hinter uns wäre Mus oder Matsch!
Als die Ampel grün wird, ruft meine Frau: „JETZT“ und ich löse die Handbremse – schiebe sie also die drei langen Meter wieder zurück, jogge also wieder in den Fahrerraum, sie gibt Gas, lässt die Kupplung kommen und wir rollen los, geschafft!!!!
Wir lachen los, beide auf einmal! Wie verrückt lachen wir auf der Landstraße, während die Bäume an uns links und rechts vorbei, nein sausen tun sie nicht gerade, schließlich fährt so ein Rundhauber maximal 80 Km/h, aber immerhin ziehen sie vorbei. Uns laufen die Tränen an den Backen herunter. Wir sitzen in einem Rundhauber und ich weiß nicht ob das Lachen von mir nicht auch irgendwie ein Heulen ist? Was habe ich uns da angetan?
Mut zum Nein sagen
Wenige Minuten später erreichen wir unser Ziel und stellen den wild keuchenden, roten Drachen auf einem Parkplatz ab. In diesem Moment ist mir bereits klar: Wir werden keine Freunde werden und mit diesem Ungetüm nie im Leben eine Reise machen. No way! Wir haben uns, hüstel, also ich habe mich einfach überschätzt und verträumt! Kann ja passieren – ich ärgere mich trotzdem irgendwie über mich selbst. Wie kann man so alt noch so unvernünftig sein? Obwohl, vielleicht ist genau das ja auch eine Gabe? Einen wirklich utopischen und bescheuerten Traum zu haben, jedoch zu denken es wäre ein wirklich guter Traum und ihn dann Wirklichkeit werden zu lassen, um genau das zu merken – wie bescheuert er doch war?
Vielleicht ist genau das wichtig, denn hätte ich nicht dieses Erlebnis mit dem Rundhauber gehabt, ich hätte mein Leben lang darüber Trauer getragen, es nicht getan zu haben. Nun aber kann ich herzhaft darüber lachen und es als abgehakt in meine Lebenserfahrungskiste packen.
Generell denke ich, dass Frauen alle Fahrzeuge genauso fahren können wie die Männer. Es gibt mittlerweile viele Busfahrerinnen und auch Frauen, die auf einem Truck sitzen.
Wir machen es so, dass wir nur die Fahrzeuge anschaffen, die wir auch beide fahren können, weil es uns wichtig ist, dass beide klar kommen.
Ausnahmen bestätigen die Regel, daher haben wir den Rundhauber auch gleich wieder verkauft. Und ich bin mehr als dankbar, dass wir wenigstens finanziell keine Miesen gemacht haben, sondern ihn für den selben Preis verkaufen konnten. Ihr ahnt nicht welcher Felsbrocken von meinem Herzen gefallen ist, als er vom Hof gerollt ist! Ich finde den Rundhauber nach wie vor toll, vom Aussehen her. Bin aber sehr ernüchtert von dem, wie er sich fahren lässt.
Ich kann doch nicht, oder?
Eine andere Lektion, die ich gelernt habe ist, dass ich unbedingt nein sagen muss, wenn ich innerlich kein gutes Gefühl über eine Sache habe, anstatt ehrenmäßig an etwas festzuhalten. Ich hatte den Rundhauber blind gekauft (keine Panik, das haben wir mit allen Wohnmobilen bisher gemacht und fast nur gute Erfahrungen gemacht). Es war also eine Anzahlung von mir erbracht worden und bei der Abholung dachte ich:
Ich kann doch jetzt nicht vom Vertrag zurücktreten.
Das war natürlich Unsinn. Ich hätte es sehr wohl können, nur wollt ich nicht als weiblicher Jammerlappen, der den nicht vorhandenen Schwanz einzieht, da stehen. Frau hat schließlich auch Stolz. Und bereits in der ersten Sekunde zuzugeben: Nee – ich habe mich geirrt, war ich nicht im Stande. Schließlich hat uns unser Freund 150 Km dorthin gefahren und die Jungs freuen sich so auf die Überraschung usw.
Hätte ich 5 Minuten darüber nachgedacht, dann wäre klar gewesen, dass unser Freund so oder so wieder zurück fahren hätte müssen und uns einfach wieder hätte mitnehmen können. Und auch die Jungs hätten es verkraftet, dass sie eben kein Feuerwehr Wohnmobil fahren können. Alles halb so wild.
Doch so läuft es häufig im Leben, nicht wahr? Im Nachhinein wissen wir auf einmal, was wir hätten sagen können oder wie wir besser hätten reagieren können usw. Deshalb ist es auch müssig, darüber nachzudenken „hätte, könnte, wöllte“ –
Für mich verbuche ich das als Erfahrung, die einfach zu meinem Leben gehört. Sie ist weder schlecht noch gut – sie ist.
Somit war der Rundhauber irgendwie dann doch auch eine runde Sache, denn immerhin bin ich (wir) einen Rundhauber gefahren und ich habe überlebt und der Rundi auch!
Und als Abschluss: Bei einem Rundhauber muss man die Leidenschaft haben, an ihm herumschrauben zu müssen und sich und den Rundhauber mit Schmiere, ÖL usw. einschmotzen zu wollen. Wir sind schon froh, wenn wir bei unseren normalen Fahrzeugen ab und an nach dem Ölstand schauen, oder das Wasser in der Wischanlage auffüllen. Das wäre also auch nicht wirklich unser Ding gewesen. Aber es gibt durchaus Menschen (Schrauber), die das sehr gerne machen.
1 Comment
Pingback: Das war unser Rundhauber - eine ehemalige Feuerwehr | Wildnisfamilie