Nichtdirektivität und Coyote Teaching
Ein immer aktuelles Thema bei uns in der Familie ist „Nichtdirektivität“ oder auch „Coyote Teaching“ genannt. Diese Art des Lehrens war in der indianischen Kultur bekannt. Und auch die Pädagogik von Maria Montessori ist geprägt durch den Satz „Hilf mir es selbst zu tun“.
Wir sind seit einigen Jahren auf dem Weg mehr und mehr nichtdirektiv zu werden im Umgang mit unseren Kindern. Das ist gar nicht so einfach, wenn man selbst direktiv erzogen wurde. Es benötigt einiges an ehrlicher Selbstreflexion, um seinen Trampelpfad des Dirigierens zu verlassen und den Dirigentenstab aus der Hand zu legen.
Bei einer nichtdirektiven Begleitung eines Menschen sollte man sich selbst mit seinem Wissen und Können zurückstellen und lediglich passiv und sensibel begleitend zur Seite stehen. Das mag einfach(er) sein im Umgang mit Kindern, sollte meines Erachtens auch bei Erwachsenen gelebt werden und nicht auf die Kinder begrenzt sein.
Das ist gar nicht so einfach und ich merke immer wieder, das ich dann doch viel zu direktiv gewesen bin –
Es uns sehr wichtig respektvoll mit unseren Kindern und auch mit uns als Erwachsenen umzugehen und die persönliche Entwicklung und Geschwindigkeit des anderen zu akzeptieren. Dazu gehört auch, es auszuhalten, wenn der andere einen viel zu komplifizierten Weg geht, bei einer Sache, die ich schon lange hinbekommen hätte. Wenn es mich dann in meinen Finger juckt, oder meine Zunge unbedingt ihren Senf abgeben will, beiße ich mir immer öfter auf eben diese oder halte meine Finger fest.
Ich möchte lernen, anderen Menschen ihre Wege zuzugestehen. Das ist eine Übung für mich, denn ich gehöre eher zu den Menschen, die weniger Geduld in den Genen hat.
Direktive Welt
Unlängst war ich mit unseren beiden Jungs bei einem Schnuppertag der freiwilligen Kinderfeuerwehr. Etwa 15 Kinder tummelten sich um einen Feuerwehrmann. Andächtig lauschten sie seinen Erzählungen und irgendwann begann er mit einer Fragerunde. Nachdem er eine Frage gestellt hatte, schnellten emsig Kinderhände nach oben, um ihre Antwort zu geben. Brav warteten sie ab, bis sie aufgerufen wurden.
Ich sah meine beiden Jungs an, für die diese Situation völlig neu war. Wieso muss man die Hand strecken, bevor man was sagen darf?
Wenn wir in der Großfamilie miteinander reden, dann gilt es respektvoll zu erspüren, wann man etwas sagen kann bzw. aufmerksam zu sein und zu merken, wenn jemand etwas sagen möchte. Die Hände hierfür strecken zu müssen, brachte also einige Fragezeichen in die Kindergesichter meiner Söhne.
Die Kinder gaben also ihre Antworten und diese waren nicht immer ganz richtig. Doch anstatt den ihnen Zeit zu geben, selbst noch auf die richtige Antwort zu kommen, wurde ihnen einfach die richtige Antwort gegeben. Typischer „Frontalunterricht“.
Dann sollte ein Kind einen Schlauch auf einem Hydranten anbringen. Doch das Ansatzsstück war nicht das Passende. Hätte hier das Kind Zeit gehabt, das selbst zu realisieren und sich anschließend eine Lösung zu erdenken, wäre das ein schöner Lernerfolg gewesen. Leider kam es gar nicht dazu, sondern auch hier hat der nette Feuerwehrmann die Lösung des Problems einfach vorweg genommen.
Solche Situationen gab es im Laufe der Schnupperstunde immer wieder und mir hat das innerlich weh getan. Mir wurde bewusst, dass der Weg, den wir in der Begleitung unserer Kinder gehen, nicht der gängige Weg ist. Einmal mehr war ich dankbar, dass unsere Kinder nicht in diesem System sind und ihnen diese Erlebnisse, die ich als diskriminierend empfinde, gerade auch in der Schule erspart bleiben.
Beunfähigung
Wenn jemand nicht um Hilfe bittet und diese aber ungefragt erhält, entzieht man ihm die Möglichkeit eigene Erfahrungen zu machen und in seinem Selbstwertgefühl zu wachsen. Der Helfende nimmt das Heft aus der Hand, dominiert und beunfähigt dadurch immens. Er zeigt, dass er die Sache im Griff hat und bescheid weiß.
Doch beim Lernen geht es nicht darum, dass der Lehrer zeigt was er kann, sondern der Schüler Raum und Zeit erhält es zu lernen. Dazu gehört auch, dass der Lehrer einen Misserfolg und ein Scheitern ertragen kann. Fehler helfen ja nur es richtig zu machen.
Was ist Hilfe und was nicht?
Ein achtsames Miteinander setzt voraus, die Grenzen des anderen zu respektieren und nicht ungefragt die Führung zu übernehmen. Wobei auch schon die Frage: „Kann ich dir helfen“ einen Menschen dazu bringen kann, Hilfe da anzunehmen, wo er es eigentlich nicht möchte und von sich auch nicht gesucht hätte.
Durch die Fragestellung hat die Person das Gefühl hilflos zu wirken, es nicht hinzubekommen und sie spürt unter Umständen die Ungeduld, oder das Gefühl „der andere kann es schneller oder besser“ und die Annahme der Hilfe ist dann eher ein inneres Aufgeben.
In unserer Wildniszeit haben wir auf diese Dinge unwahrscheinlich geachtet und uns gegenseitig nicht mehr geholfen und auch keine Hilfe mehr angeboten. Wir wollten uns jeweils in unserer Stärke erkannt wissen und es war sehr entspannend zu wissen, dass man sich „dumm“ anstellen kann, ohne dass jemand genau das erkennt und man dann nervös die Aufgabe abgibt.
Wie schön war es, das Vertrauen der Anderen, dass ich es schaffe in mich zu spüren! Wie schön, dass mir zugestanden wurde, meine eigenen Erfahrungen zu machen und unperfekt handeln und sein zu können. Keine unerbetene Hilfe zu bekommen, war ein Befreiungsschlag. Weitere Details hierfür findest Du in unserem Buch “ Eine Familie zieht in die Wildnis“
Wen dieses Thema tiefer interessiert – ich gebe Coachings darüber und begleite Menschen, die sich auf den Weg in ein nicht direktives Leben begeben möchten.
In Zukunft werden ich hier auf dem Blog immer wieder Fallbeispiele geben, was dieses Thema angeht.