Vorteile vom Leben im Wohnmobil – praktisch und philosophisch gesehen
Unser altes Wohnmobil, mit dem wir in den letzten 10 Jahren Europa bereist haben, hatte leider einen Wasserschaden und wir mussten uns von ihm trennen. Vor wenigen Tagen haben wir uns eine neues Wohnmobil zugelegt – Findus ist sein Name.
Momentan stecken wir in den Vorbereitungen für unsere Europatour, die wir im März starten werden.
Wir sehen sehr viele Vorteile in unserem bewegten Leben auf so wenigen Quadratmetern.
- Man lernt mit der Ressource Wasser sparsam umzugehen. Nicht immer und überall ist es möglich Trinkwasser nachzutanken.
- Strom erfährt man als kostbar und endlich. Wenn die Sonne nicht scheint gibt es nur begrenzt Strom.
- Die Umwelt ist nur eine Wagenwandbreite entfernt und nicht, wie bei einem Haus, mehrere Zentimeter dick. Man bekommt also die zwitschernden Vögel, den prasselnden Regen oder die laute Strasse direkter mit, als wenn man abgeschottet in einem Haus lebt.
- Der Weg nach draußen ist durch die Enge im Wagen schneller gewährleistet. Draußen ist die Welt und das Wohnzimmer und ein riesiges Spielzimmer mit einem unendlichen Sandkasten, wenn man am Meer steht.
- Der Großputz im Wohnmobil ist sehr viel übersichtlicher und dementsprechend schneller und effektiver zu bewältigen, als wenn man eine Wohnung oder ein Haus zu versorgen hat.
- Man ist überall Zuhause, wie eine Schnecke nimmt man sein Schlafzimmer überall mit hin. Man ist beweglich und nicht statisch. Wenn man also unangenehme Nachbarn hat, muss man nur den Zündschlüssel drehen und kann einen Ortswechsel vollführen. Hat man einen solchen Nachbarn in einer Wohnsiedlung sieht die Sachlage schon sehr viel verzwickter aus.
- Man genießt die schönsten und interessantesten Ausblicke aus dem Schlafzimmerfenster. Die Meeresbrandung, ein Wald, ein See – einfach da wo man gerade ist.
- Reisen ist entspannt, weil man immer da wo es einem gefällt, bleiben kann. Teure Hotelkosten entfallen und man ist immer in seiner gewohnten Umgebung.
- Wer wenig besitzt, hat wenig zu verlieren. Genau das trifft auf das Leben im Wohnmobil zu. Man hat relativ wenig dabei, dementsprechend wenig hat man zu versorgen und zu verlieren. Man belastet sich also nicht unnötig mit materiellen Dingen, die man dann abstauben oder anderweitig verwalten muss.
- Der ständige und regelmäßige Ortswechsel macht das Leben bunt und spannend. Sich immer wieder auf neue Situationen und Menschen einzulassen, hält jung, flexibel und dynamisch.
- Man lernt andere Kulturen kennen und kommt mit den Menschen schneller und intensiver in Kontakt, weil man das Land befährt und nicht nur in den Touristenhochburgen seine Zeit verbringt.
- Man lernt Altes los zulassen und Neuem zu begegnen.
- Mit so vielen Menschen auf engem Raum lernen alle Rücksichtnahme. Wir haben Kleinkinder und Teenager. Die älteren nehmen Abends Rücksicht auf die Kleinen, die schlafen gehen. Am Morgen nehmen die Jüngeren wiederum Rücksicht auf die Teenager, die etwas länger schlafen wollen.
- Ordnung halten fällt auf so kleinem Raum leichter, weil man viel schneller merkt, dass man ansonsten im Chaos versinkt.
- Der immerwährende Ortswechsel lässt uns anpassungsfähig sein. So können wir mittlerweile überall schlafen. Ob nun eine laute Meeresbrandung zu hören ist oder eine Autobahn. Ob es durch Scheinwerfer taghell ist oder aber dunkle Nacht irgendwo in der Pampa.
- Im Winter kann man einfach gen Süden in die Wärme fahren und einem nasskalten Winter aus dem Weg gehen.In unserem ersten Reisejahr mit unseren Kindern benötigten wir eine gewisse Überredungskunst, einen schönen Stellplatz zu verlassen, um weiterzuziehen. Die Kinder taten sich schwer, loszulassen und weiterzuziehen und Vertrauen darin zu haben, dass es noch andere schöne Orte gibt. Sie machten dann schnell die Erfahrung, dass der neue Ort meistens noch viel schöner war und sie etwas verpasst hätten, wenn wir am Alten geblieben wären.
Ich glaube das dies eine Lektion ist, die wir generell häufig in unserem Leben machen. Oftmals halten wir an scheinbar altbewährtem fest, aus Angst, dass es keine Steigerung gibt und wir etwas verlieren, wenn wir los lassen.
Mit der Zeit lernt man jedoch, das es weiter geht. Die Sonne geht unter und sie geht auch wieder auf. Das Leben ist eine ständige Veränderung. Nur wenn man etwas los lässt, hat man leere Hände und ist somit fähig neues in Empfang zu nehmen.Das bewegte Leben im Wohnmobil hat uns diese Lektion gelehrt.
Eine andere Lektion ist: Man erlebt so viele verschiedene Facetten vom „wo man überall schlafen kann“. Manche dieser Schlafplätze sind laut, andere leise. Teilweise stinkt es oder es gibt Unmengen von Stechmücken. Manche Orte sind schön, andere sehen erst schön aus, entpuppen sich dann aber als doch nicht so schön oder sogar gefährlich. Ich erinnere mich an einen Platz in Frankreich. Irgendwann Nachts fuhr ein betrunkener und anscheinend liebeskranker Mann mit seinem Moped in Haaresbreite an uns vorbei. Je später und dunkler die Nacht wurde, um so betrunkener und liebeskranker wurde der junge Herr. Er fuhr schreiend und heulend an uns vorbei. Wieder und wieder. Wir bekamen es mit der Angst zu tun, dass er irgendwann die Beherrschung verlieren und sein Moped dann unter unser Wohnmobil parken würde. Also sattelten wir unser Wohnmobil um 2 Uhr Nachts und fuhren zum nächsten Friedhof. Die dortigen Nachbarn waren wesentlich angenehmer und wir hofften inständig, dass der junge Mann seinen Liebeskummer in den Griff bekommen und nicht irgendwann deswegen hier auf dem Friedhof liegen würde.Immer gilt es sich neu einzulassen und einzustellen auf etwas mehr oder weniger Unbekanntes.
Sicherlich kann man viele Dinge, die für uns ein Vorteil sind auch als Nachteil sehen. Es ist immer die Position der Sichtweise die man einnimmt. Des einen Vorteil ist des Anderen Nachteil.
So kann der begrenzte Platz und die Enge, das Haushalten mit Strom und Wasser einengend empfunden werden. Das dauernde Umerziehen, stets auf dem Sprung zu sein, nie anzukommen, all das ist für die Einen Erfüllung und für die Anderen ein Graus. Nicht jeder hat das „Zigeuner Gen“.Wir wechseln zwischen diesen beiden Leben ab. Mal leben wir statisch, sehr ruhig und in Frieden auf unserem Selbstversorgergrundstück in Portugal. Das geht für einige Monate ganz gut und wir fühlen uns wohl und genießen das Bleiben und Sein an diesem Ort. Irgendwann jedoch fängt es irgendwo in der Hinterngegend an zu jucken und wir bekommen „Hummeln in den Hintern“. Das ist der Zeitpunkt an dem wir wissen „jetzt wollen wir wieder los, auf zu neuen Ufern“. Kaum sitzen wir dann in unserem Wohnmobil, springen wir hinein in das Gefühl des Vagabundes und spüren die Leichtigkeit des Lebens, denn all unsere Habseligkeiten passen in dieses fahrende Haus. Und unsere einzige Verpflichtung ist, mit dem Strom des Lebens mitzufließen und uns darauf einzulassen, was uns begegnen wird.
Vielleicht sehen wir uns ja unterwegs.
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